Über Falken und die Gefährlichkeit des Lesens für einen Strafverteidiger



Veröffentlicht am 16. Mai 2013 von

Rechtsanwalt Gerd Meister mit Gipsarm

Rechtsanwalt Gerd Meister mit Gipsarm

Mein Sozius Gerd Meister hat gestern seinen 55. Geburtstag gefeiert, nein, gerade nicht richtig feiern können, weil er sich eine Schleimbeutelentzündung im rechten Ellbogen zugezogen hat und deshalb statt ins Büro zum Krankenhaus gefahren ist. Wir haben ihn daher gar nicht zu Gesicht bekommen und auch nicht unsere Geschenke überreichen können, die in Anbetracht seiner Verletzung zum Teil ohnehin kontraindiziert sind. Da waren nämlich ein paar Bücher dabei.

Wie mir Gerd heute berichtete, hat er nicht etwa falsch gefummelt oder sonstige anrüchige Dinge getan, die zu seiner gesundheitlichen Misere geführt haben, sondern er hat am vergangenen Wochenende gelesen. „Falken“ heißt der Roman von Hilary Mantel, ein wohl opulentes historisches  Werk, in dem es unter anderem um Heinrich VIII. und um Thomas Cromwell geht, der den guten Gerd so fasziniert hat, dass er stundenlang mit aufgestütztem Ellbogen und anscheinend ohne nennenswerte Veränderung seiner Körperhaltung am Tisch gesessen und den geschichtsträchtigen Stoff in sich hineingefressen hat. Das Ergebnis ist auf dem obigen Foto zu sehen.

„Kann sogar sein, dass das operiert werden muss“, sagte mir der Gerd eben noch, bevor er zu einer hoffentlich nur kurzen Hauptverhandlung in Richtung des Mönchengladbacher Amtsgerichts entschwand, und das hat bei mir doch erhebliche Bedenken ausgelöst. Deshalb stütze ich meine Ellbogen momentan ganz bewusst nicht auf, aber beim Schreiben am Laptop wäre das auch eine eher ungewöhnliche Körperhaltung, und ich überlege, ob das Lesen im fortgeschrittenen Strafverteidigeralter vielleicht nicht per se gesundheitsschädlich ist. Wenn ich da an manche meiner Umfangsakten denke, halte ich diesen Gedanken für gar nicht realitätsfern und denke darüber nach, ob ich nicht zukünftig wie ein Schöffe ohne Aktenkenntnis allein aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung heraus agieren soll. Andererseits, meine Mandanten sind ja meist ungeduldig und wollen fast immer schon im Vorhinein wissen, was denn in den Akten steht und am liebsten noch verlässliche Prognosen haben, was bei der Sache herauskommen wird. Freispruch oder allenfalls Bewährung natürlich, ist doch klar.

Andererseits ist das Aktenlesen ja vielleicht weniger gefährlich als der Konsum seriöser Literatur, weil es (bei mir jedenfalls)  des öfteren zu psychisch bedingten motorischen Reaktionen führt, die das monotone Verharren  in einer gesundheitsgefährdenden Leseposition verhindert. Ich ertappe mich immer wieder mal dabei, wie mich ob mancher Ergüsse, die ich da lese, fragend oder hilfesuchend am Hinterkopf kratze, auch mal die Hände vor dem Gesicht zusammenschlage oder mir auf die Schenkel klopfe. Das entlastet die Ellbogen und den gesamten Bewegungsapparat. Manchmal muss ich auch das Fenster aufreißen und Frischluft reinlassen, um das Gelesene verdauen zu können, und wenn´s halbwegs verdaut ist, dann folgt der Gang auf´s Klo. So gesehen hat Aktenlesen ja vielleicht eher eine gesundheitsfördernde Wirkung, wer weiß das schon.

Also, ich habe da zusammengefasst noch keine richtige Meinung und werde das Geschehen erst einmal weiter beobachten, bevor ich für mich wegweisende Entscheidungen treffe..


Kategorie: Strafblog
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