Urkundenfälschung im digitalen Zeitalter – oder: Kann ein digitales Dokument eine Urkunde im Rechtssinne sein?



Veröffentlicht am 26. Februar 2015 von

VickyRein tatsächlich war die Sache einfach. Der von mir verteidigte Angeklagte hatte nachweislich an seinem PC ein falsches Zeugnis erstellt und dieses per email seinen Bewerbungsunterlagen beigefügt. Deshalb war er unter anderem wegen Urkundenfälschung angeklagt worden. Der Staatsanwalt meinte, man könne die Datei ausdrucken, damit sei sie etwas Körperliches. Der Angeklagte habe mit der Versendung der Datei den Anschein erweckt, dass Original des Zeugnisses sei vorhanden. Damit habe er  über die Existenz eines derartigen Zeugnisses getäuscht.

Ich habe in der Haupterhandlung vor einem nordrhein-westfälischen Amtsgericht die Auffassung vertreten, dass der Tatbestand der Urkundenfälschung nicht erfüllt sei.  Immerhin sei eine Urkunde eine verkörperte Gedankenerklärung. Bits und Bytes seien jedoch nichts Körperliches. Dass man die Datei ausdrucken könne, ändere an diesem Umstand nichts, da es darum gehe, in welcher Form die „Gedankenerklärung“ dem Adressaten zugänglich gemacht wird und nicht, in welche Form dieser die Gedankenerklärung selbst gießen könnte.  Wenn der Adressat die Datei ausdrucke, habe er im Übrigen ersichtlich immer noch  kein Original in der Hand. Außerdem gelte in der Rechtsprechung seit jeher, dass als solche erkennbare Kopien nicht dem Urkundenbegriff unterfallen. Ich habe in Analogie zu dieser Rechtsprechung angeführt, dass ein eingescanntes Dokument, genau wie eine Fotokopie, erkennbar kein Original darstelle, sondern lediglich eine elektronische Reproduktion. Scheint eindeutig, oder?

Völlig verblüfft musste ich zur Kenntnis nehmen, dass das Gericht, das den Mandanten von zwei anderen mitverhandelten Vorwürfen frei sprach, sich hinsichtlich der Frage der Urkundenfälschung der Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft angeschlossen hat und den Mandanten entsprechend verurteilte. Da scheint eine reichlich ergebnisorientierte Sichtweise vorgeherrscht zu haben, frei nach dem Motto: „So etwas tut man doch nicht!“. Und deshalb bestrafen wir´s, auch wenn das Gesetz das kaum hergibt.

Wir werden auch jeden Fall ins Rechtmittel gehen. Ob ich Berufung einlege oder vielleicht sogar  in die Sprungrevision gehe, überlege ich mir noch.

Zur Rechtslage sei noch auf Folgendes hingewiesen:

Das OLG Hamburg (2 – 63/11 (REV)) hat sich vor nicht allzu langer Zeit zu der vorliegenden Problematik geäußert und hierzu ausgeführt:

„Eine Fernkopie, die über das Empfangsgerät des Empfängers ausgedruckt wird, stellt regelmäßig schon keine Urkunde dar, da lediglich ein Schriftstück, das eine Gedankenerklärung verkörpert, durch einen Übertragungsvorgang wesensmäßig wie eine „Fotokopie“ vervielfältigt und an den Empfänger weitergeleitet wird (Fischer, StGB, 59. Auflage, § 267 Rdn. 19; vgl. insoweit auch BGH NStZ 2010, 703). Ebenso verhält es sich mit dem Ausdruck einer durch ein elektronisches Schreiben versandten Datei. Dieser Ausdruck beim Empfänger stellt ebenfalls nur eine Reproduktion der Datei dar und enthält keinesfalls den originär in dem eingescannten Dokument verkörperten Gedankeninhalt. […]

Lediglich für den sicher festgestellten Fall, dass zunächst ein Schriftstück manipuliert worden war, das nach seinem äußeren Erscheinungsbild als Original einer Urkunde erschiene, könnte im späteren Versenden per Fernkopie bzw. elektronischer Mail ein gemäß § 267 Abs. 1 StGB strafbares Gebrauchen dieser zuvor unecht hergestellten Urkunde vorliegen (vgl. BGHSt 24, 140; Fischer a.a.O. § 267 Rdn. 37; a.A. etwa Zieschang LK § 267 Rdn. 217).“

Vorliegend haben Staatsanwaltschaft und Gericht eindeutig darauf abgestellt, die der Email beigefügte Datei selbst sei eine Urkunde. Die Frage, ob es sich bei der Erstellung und Versendung der Datei, die gegenüber dem Adressaten als Scan bezeichnet worden war, um das Gebrauchmachen einer unechten Urkunde gehandelt hat, wurde nicht erörtert. Ebenso wenig erfolgte ein rechtlicher Hinweis auf § 269 StGB.

 

 


Kategorie: Strafblog
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