Von wegen Wochenende: Am Landgericht in Aachen wird auch am Samstag verhandelt



Veröffentlicht am 26. Oktober 2012 von

Landgericht Aachen, Foto: Norbert Schnitzler

Morgen ist Samstag, und da gehen normale Juristen eigentlich ins Wochenende. Klar, vielleicht werden noch ein paar unter der Woche liegen gebliebene Akten gelesen oder wegdiktiert, und manchmal trifft man sich auch noch mit Mandanten, mit denen an den üblichen Werktagen einfach kein Termin zustande gekommen ist. Aber strafrechtliche Hauptverhandlungen sind an Samstagen doch außerordentlich selten, zumal ja ein erheblicher Personalaufwand betrieben werden muss, um die Öffentlichkeit des Verfahrens zu gewährleisten.

Morgen ab 9:00 Uhr findet  vor dem Landgericht Aachen der 25. Verhandlungstag in einer Strafsache wegen 14facher gewerbsmäßiger räuberischer Erpressung bzw. Raubes im besonders schweren Fall statt, und ich habe die zweifelhafte Freude, als Verteidiger dabei sein zu dürfen. Für mich ist der Fall auch so schon ungewöhnlich genug, weil ich erst am 23. Verhandlungstag mit dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft in die Sache eingestiegen bin und der bisherige Wahlverteidiger daraufhin erbost das Mandat niedergelegt hat. Ich habe darüber im strafblog bereits berichtet. So gut es ging, habe ich mir den bisherigen Verlauf der Beweisaufnahme erschlossen und einige Anträge gestellt, die dazu geführt haben, dass wieder in die Beweisaufnahme eingetreten werden musste. Es wurden Zeugen geladen, die eigentlich schon in der vorletzten Woche gehört werden sollten. Dann erkrankte  der Vorsitzende Richter – ich hoffe, dass meine Anträge nicht kausal dafür waren -, und die Verhandlungs musste abgesetzt werden. Jetzt bleibt abzuwarten, ob die Zeugen morgen erscheinen werden. Ich habe inzwischen Recherchen angestellt, die Anlass für weitere Beweisanträge geben können, und ich sehe ein wenig Licht am Ende des Tunnels, der aufgrund der von der Staatsanwaltschaft beantragten 13 Jahre Freiheitsstrafe prima facie besonders dunkel ist.

Indizienprozesse können spannend sein. Mein Mandant, der die ihm zur Last gelegten Taten bestreitet, ist ebenso wie der Mitangeklagte von keinem Zeugen erkannt worden. Er hat auch keine Fingerabdrücke und keine DNA-Spuren hinterlassen. Geht ja auch nicht, er ist ja unschuldig, könnte man argumentieren. Die Staatsanwaltschaft meint aber, die Täterschaft aufgrund der durchgängig gleichen Tatabläufe und etlicher weiterer Details, die von den Zeugen geschildert worden sind, sowie wegen verschiedener anderer Indizien nachweisen zu können. Immerhin waren die beiden Angeklagten bei einer vergleichbaren Tat, für die sie schon abgeurteilt sind, auf frischer Tat betroffen worden. Auch bei allen jetzt angeklagten Taten sollen die maskierten und behandschuhten Täter ungleich groß gewesen sein, ein auffallend kleiner Mann und ein wesentlich größerer. Mein Mandant ist der deutlich größere Angeklagte, und ich argumentiere unter anderem damit, dass – wenn man arbeitshypothetisch unterstellt, der kleinere, nur 1, 68 Meter messende Angeklagte sei immer dabei gewesen – auch bei wechselnden Mittätern davon ausgehen kann, dass diese jeweils größer als er gewesen sein dürften. Das ist eine statistisch belegbare Wahrscheinlichkeit.

Meine Mitverteidigerin hat eine Reihe von vergleichbaren Fällen recherchiert, die nach der Inhaftierung der Angeklagten nach sehr ähnlichem Strickmuster abgelaufen sind und bei denen die Täter auch unterschiedlich groß waren. Wie in unseren angeklagten Fällen wurden dabei auch Vorschlaghämmer als Tatwerkzeug mitgeführt. In einigen Fällen waren die Täter sogar von der gleichen Nationalität. Wobei die bislang gehörten Tatzeugen türkische, polnische, russische, albanische oder andere osteuropäische oder südländische Sprachen gehört haben wollen. Ein Zeuge will gesehen haben, wie der größere der beiden Täter sich die Gesichtsmaske vom Kopf gezogen hat.  Der Mann habe eine große, krumme Nase gehabt und sei auffallend blass gewesen. Mein Mandant hat keine besonders große Nase, und krumm ist sie absolut nicht. Er ist auch nicht auffallend blass, das sieht jeder, der ihn anschaut. Aber der Staatsanwaltschaft haben die Zeugenaussagen gereicht. Etliche haben den größeren Täter als schlank, sogar als auffallend dünn bezeichnet. Das ist mein Mandant auch nicht, finde ich. Aber die Wahrheit liegt ja bekanntlich immer im Auge des Betrachters. Der Mann habe während der Haft zugenommen, meinte der Staatsanwalt. Ich habe Fotos vorgelegt, die belegen sollen, dass er vor der Haft auch nicht dünner war als jetzt. Außerdem ist er ja bei Aufnahme in die Haft gewogen worden, und heute wiegt er sogar ein oder zwei Kilo weniger als damals. Das lässt sich objektiv überprüfen. Und da gibt es noch ein paar Details, die in der Verhandlung zu erörtern sind.

Wie gesagt, es ist durchaus spannend und vielleicht habe ich ja morgen Interessantes zu berichten.

 


Kategorie: Strafblog
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