Wann ist ein Ladendiebstahl gewerbsmäßig? Vielleicht hilft ja der Ladendetektiv bei der Klärung dieser Frage…



Veröffentlicht am 11. Februar 2014 von

Rainer Pohlen

Rainer Pohlen

Zu 8 Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung wegen Diebstahls im besonders schweren Fall war mein Mandant erstinstanzlich verurteilt worden, weil er zwei Jeanshosen zum Kaufpreis von jeweils 149 Euro in einer mit Alufolie ausgekleideten Tasche aus einem Mönchengladbacher Bekleidungsgeschäft entwenden wollte, beim Verlassen des Ladens aber gestellt wurde. Der Mittzwanziger stammt aus Marokko und ist vor etlichen Jahren mal unter erheblichem Risiko gemeinsam mit anderen Boatpeople über das Mittelmeer nach Italien geflüchtet. Er hat für Deutschland keine Aufenthaltserlaubnis und war nach einem abgelehnten Asylantrag schon einmal nach Italien abgeschoben worden. Von dort ist er dann vor einem Jahr illegal wieder nach Deutschland eingereist.

Gewerbsmäßigkeit hatte das Amtsgericht angenommen, weil der Mann innerhalb eines Jahres schon das vierte Mal bei einem Ladendiebstahl erwischt worden war und kein nachvollziehbares Einkommen hat. Der lebt vom Diebstahl, war wohl die Devise, die der Annahme der Gewerbsmäßigkeit zugrunde lag.

In der gestrigen Berufungshauptverhandlung habe ich die These vertreten, dass Gewerbsmäßigkeit nicht einfach unterstellt werden dürfe. Schließlich wisse man bezüglich der angeklagten Tat nur, dass der Mann halt zwei Hosen klauen wollte. Ob er diese veräußern oder selbst tragen wollte, sei genauso ungeklärt wie die Frage, wovon der Mann lebt. Da gebe es viele Möglichkeiten. Jedenfalls stelle es lediglich eine spekulative Erwägung dar, dass der Mann gewerbsmäßig klaue. Der Staatsanwalt war anderer Auffassung. Für ihn sei die Gewerbsmäßigkeit klar. Egal, ob für sich selbst oder zum Verkauf, jedenfalls habe der Mann sich eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang verschaffen wollen. So sehe er das.

Ich habe angeregt, die Beweisaufnahme zu beenden, weil keine weitere Aufklärung zu erwarten sei. Das Gericht solle sich die Plädoyers anhören und entscheiden. Der Staatsanwalt sah das ähnlich.

Die Kammer hat beraten und dann vertagt. Jetzt soll zu einem weiteren Hauptverhandlungstermin der Ladendetektiv gehört werden, der den Mann erwischt hat. Zur Frage der Gewerbsmäßigkeit wird der wohl nicht viel beitragen können, denke ich. Aber möglicherweise geht es dem Gericht ja um Klärung der Frage, ob die Hosen gegen Diebstahl besonders gesichert waren und deshalb aus anderen Gründen ein besonders schwerer Fall des Diebstahls in Betracht kommt. Die Kammer macht es sich da nicht leicht und scheut nicht Mühe noch Kosten. Dem ist durchaus Respekt zu zollen.

Trotzdem, als Steuerzahler denke ich: Welch ein Aufwand! Das sind dann inklusive der ersten Instanz 3 Hauptverhandlungstage wegen eines Ladendiebstahls mit einem Warenwert von knapp 300 Euro. Die Landeskasse zahlt den Verteidiger und die Verfahrenskosten. Hinzu kommen die nicht unerheblichen Haftkosten von wenigstens 115 Euro pro Tag. Das allein macht bei bislang 4 1/2 Monaten Untersuchungshaft round about 15.500 Euro. Deutlich teurer wird das Ganze, wenn es bei der erstinstanzlich verhängten Strafe bleibt. Ich habe darüber in der vorliegenden Sache schon einmal einen strafblog-Beitrag mit dem Titel „Ein trauriges Schicksal, eine reichlich teure Strafe für den Steuerzahler und viele Fragezeichen….“ verfasst.

Aber fiskalische Aspekte spielen in Strafverfahren gemeinhin keine Rolle, wenn es um die Verteidigung rechtsstaatlicher Normen und Werte geht. So ist das nun mal. Auch wenn Flüchtlingsprobleme wie das vorliegende mit den Mitteln des Strafrechts kaum zu lösen sind.

 

 


Kategorie: Strafblog
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