Welch ein Glück: Die Staatsanwaltschaft Augsburg hat das Verfahren wegen „Verkehr mit Gefangenen“ gegen mich eingestellt



Veröffentlicht am 3. August 2012 von

Verkehr von "Mauerbienen", Quelle: Wikipedia commons

Gerade eben reichte mir die Kollegin Nagel eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft Augsburg herein. Das gegen mich eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen des Ordnungswidrigkeitenverdachts  „Verkehr mit Gefangenen“ ist gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Puuuh, ich hatte schon überlegt, was ich im Falle eines Bußgeldbescheids mit sich anschließender Verurteilung meiner Partnerin hätte sagen sollen. Verurteilt wegen ordnungswidrigem Verkehr mit Gefangenen, wie sich das anhört. Und außerdem ging es auch noch um eine aparte Mandantin, die ein paar Wochen in der JVA Aichach in Untersuchungshaft gesessen hatte, bevor ich gegen das Votum der Staatsanwaltschaft eine Haftentlassung erreichte. Ich hatte über die seinerzeitige Saalverhaftung und einen skurrilen Haftfortdauerbeschluss im strafblog berichtet. Und mit dieser Mandantin soll ich also – so jedenfalls der vorübergehende Tatverdacht – ordnungswidrig verkehrt haben. Das müsste ich doch wissen, denke ich.

Inzwischen habe ich ungefähre Kenntnisse darüber, was Gegenstand der gegen mich gerichteten Vorwürfe sein soll. Ganz sicher bin ich mir nicht, weil ich nie offiziell über die Einleitung des Ermittlungsverfahrens unterrichtet wurde und auch keine Akteneinsicht hatte.  Aber ich habe erfahren, dass die Mandantin als Zeugin in dem Verfahren gegen mich vorgeladen worden ist, wobei es um wohl um die Klärung der Frage ging, ob sie mir aus der Haft heraus mit Verteidigerpost Schriftsätze aus einem zivilrechtlichen Verfahren zugeleitet hat, das nicht unmittelbar mit der Strafsache zu tun hat. Das könnte dann nämlich ein Verstoß gegen § 115 OWiG sein, da unkontrollierter Schriftverkehr zwischen Verteidigung und inhaftiertem Mandanten nur in dem von § 148 StPO vorgegebenen Rahmen erlaubt ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat dazu in einem ebenso lesenswerten wie kritikwürdigen Beschluss aus dem Jahr 2009  ausgeführt:

„Ein unbefugtes Handeln liegt nämlich dann nicht vor, wenn sich die Weitergabe der Post im Rahmen des durch § 148 StPO gestatteten ungehinderten Verkehrs zwischen dem Verteidiger und dem Beschuldigten hält. Dieser Verkehr ist jedoch nur zu Zwecken der Verteidigung frei (vgl. BVerfGE 46, 1 <12>; 49, 24, <48>; Rogall in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 3. Aufl. 2006, § 115 Rn. 33).

Die angegriffenen Entscheidungen begrenzen die Reichweite dieses freien Verteidigerverkehrs dahingehend, dass der unkontrollierte Verkehr nur in der Weise ausgeübt werden kann, als er unmittelbar der Vorbereitung der Verteidigung dient, mithin nur solche Schriftstücke umfasst, die unmittelbar das Strafverfahren betreffen (vgl. ebenso BGHSt 26, 304 <307 f.>; LG Tübingen, Beschluss vom 14. Februar 2007 – 1 KLs 42 Js 13000/06 -, NStZ 2008, S. 653 <655>; Schultheis, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl. 2008, § 119 Rn. 31). Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Der weitergehenden Ansicht, wonach das Verteidigerprivileg auch Schriftsätze aus anderen Verfahren umfasse, wenn diese mit der Verteidigung in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen oder mittelbar die Stellung des Beschuldigten im Strafverfahren tangieren (vgl. Lüderssen/Jahn, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2007, § 148 Rn. 17; König, in: Widmaier, Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, 1. Aufl. 2006, § 4 Rn. 128; Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 2. Aufl. 1996, Rn. 75) zu folgen, würde bedeuten, dem Beschuldigten nahezu unkontrollierten Schriftverkehr zu ermöglichen. Diese Ansicht nimmt an, dass Bemühungen um den Erhalt oder die Beschaffung von Arbeitsplatz und Wohnung, Darlehnsaufnahme für eine Kaution und Verkauf von Wertgegenständen für die Kaution durchaus die Haftgründe oder die Sanktionsentscheidung betreffen können und damit mittelbar der Verteidigung dienen (vgl. Lüderssen/Jahn, a.a.O.; Julius, in: Julius, StPO, 4. Aufl., § 148 Rn. 8). Da im Rahmen der Strafzumessung sowie der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung mannigfaltige, in der Person des Beschuldigten liegende Gründe eine Rolle spielen, stünde bei einem derartigen Verständnis des freien Verteidigerverkehrs nahezu jedes Schreiben in irgendeinem Bezug zum Strafverfahren und im Zusammenhang mit der Verteidigung. Die Zuordnung zur eigentlichen Verteidigungsvorbereitung wäre nicht mehr eingrenzbar und würde ins Uferlose führen (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 17. Juni 1998 – 2 Ss (OWi) 134/98 -, NStZ 1998, S. 535 f.).

Ein solch weites Verständnis des freien Verteidigerverkehrs geriete zudem in Konflikt mit dem Ziel der angeordneten Postkontrolle. Diese in § 119 Abs. 3 StPO wurzelnde Beschränkung dient der Wahrung des Zwecks der Untersuchungshaft und der Ordnung in der Vollzugsanstalt (vgl. BVerfGE 35, 311 <316>). Da unter dem Rechtsbegriff „Ordnung in der Vollzugsanstalt“ nicht nur ein Mindestmaß an Ordnung zu verstehen ist (vgl. BVerfGE 35, 311 <317>), kann dieses Ziel nur bei einer wirkungsvollen Ausübung der Postkontrolle erfüllt werden (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 17. Juni 1998 – 2 Ss (OWi) 134/98 -, NStZ 1998, S. 535).

Ohne Bedeutung ist vorliegend der konkrete Inhalt des übermittelten Schreibens. Zwar können bei angeordneter Postkontrolle Schriftstücke im Ergebnis nur dann angehalten werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Störung der Anstaltsordnung gegeben sind (vgl. BVerfGE 57, 170 <177>). Im Rahmen von § 115 OWiG ist jedoch die eigentliche Ausübung der Postkontrolle, nicht ihre inhaltliche Ausgestaltung betroffen. Es handelt sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt (vgl. Rogall, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 3. Aufl. 2006, § 115 Rn. 3). Daher ist es unerheblich, ob das nicht der Postkontrolle zugeführte Schreiben im Ergebnis tatsächlich geeignet war, die Ordnung der Anstalt oder die effektive Strafverfolgung zu gefährden. Von einer Ausgestaltung als konkretes Gefährdungsdelikt hat der Gesetzgeber abgesehen, da die Vorschrift sonst nicht praktikabel sei (vgl. BTDrucks 7/1261, S. 43; BayObLG, Beschluss vom 29. März 1985 – 3 Ob Owi 16/85 -, NJW 1985, S. 2601; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, 3. Aufl., Stand: September 2008, § 115 Rn. 11).

Die den angegriffenen Entscheidungen zugrunde gelegte enge Auffassung des Rechts auf freien Verteidigerverkehr steht der Entstehung eines Vertrauensverhältnisses zwischen Rechtsanwalt und Mandant nicht entgegen. Bei der angeordneten Postkontrolle handelt es sich um eine sowohl dem Beschuldigten als auch seinem Verteidiger bekannt gemachte Maßnahme. Der Rechtsanwalt wird hiernach seinen Mandanten darauf hinweisen, dass im Bereich der eigentlichen Strafverteidigung eine Kommunikation weitgehend unabhängig von der Postkontrolle möglich, dies jedoch im weiteren Tätigkeitsbereich des Rechtsanwalts – etwa einer familiengerichtlichen Auseinandersetzung wie hier – ausgeschlossen ist (vgl. hierzu Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 2. Aufl. 1996, Rn. 79). Die Pflicht, solche Schreiben, welche nicht unmittelbar das Strafverfahren betreffen, der Postkontrolle zuzuführen, steht dann aber dem Aufbau eines Vertrauensverhältnisses im Strafverfahren gerade nicht entgegen (vgl. zu Ausnahmen von der Wahrheitspflicht im Zivilverfahren bei drohender Offenbarung strafrechtlich relevanter Angaben BVerfGE 56, 37 <44>; Wagner, in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 3 Aufl. 2008, § 138 Rn. 15). Ansonsten würde der Anwalt, der neben der Strafverteidigung noch andere Mandate für den Beschuldigten angenommen hat, besser gestellt, als derjenige, dessen Tätigkeit sich auf reine Strafverteidigung beschränkt.

Auch sind die angegriffenen Entscheidungen nicht deshalb unverhältnismäßig, weil der Rechtsanwalt nur die Wahl hat, entweder das Schreiben der Postkontrolle zu übergeben und sich damit einer Verletzung von Privatgeheimnissen, § 203 StGB, schuldig zu machen oder nach § 115 OWiG belangt zu werden. Der Verteidiger macht sich gerade nicht in jedem Fall nach § 203 StGB strafbar. Die Strafhoheit setzt vielmehr ein unbefugtes Handeln voraus. Damit sind im Ergebnis sowohl Fälle des Handelns mit Einwilligung des Geheimnisträgers als auch solche bei bestehender Offenbarungspflicht ausgeschlossen (vgl. Schünemann, in: Leipziger Kommentar, 11. Aufl. 2000, § 203 Rn. 91, 120).“

Der Beschwerdeführer, ein Anwaltskollege,  war zu einem Bußgeld von 300 Euro verdonnert worden, weil er seinem inhaftierten Mandanten im Rahmen eines Verteidigersgesprächs den Entwurf eines Scheidungsantrages seiner Ehefrau vorgelegt hatte. In der Familiensache war der Kollege  ebenfalls mandatiert. Mein Grundrechtsverständnis deckt sich nicht in jeder Hinsicht mit dem Diktum des Verfassungsgerichts, und da weiß ich mich durchaus in guter Gesellschaft.

Gegen mich hat sich der Tatverdacht offensichtlich nicht bestätigt. Ich aber werde den Verdacht nicht los, dass die Einleitung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens eine Retourkutsche für meinen Erfolg in der Haftsache und in einem gegen dieselbe Mandantin gerichteten anderen Strafverfahren vor dem Augsburger Landgericht gewesen sein könnte. Irgendwie kleinkariert kommt mir das Ganze vor …..

 

 

 


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