Wenn der Hausarzt die Tötung verweigert



Veröffentlicht am 29. Februar 2012 von

„Bitte kommen Sie schnell! Ich will sterben.“ So ähnlich könnte der Anruf oder die Email lauten, mit der ein unheilbar Kranker das mobile Sterbehilfe-Team NVVE zu sich nach Hause ruft.

NVVE steht für „Niederländische Vereinigung für ein freiwilliges Lebensende“. Die Vereinigung ist mit etwa 130.000 Mitgliedern die größte Sterbehilfe-Organisation der Welt.

Doch nach Inkrafttreten des vor ca. 10 Jahren beschlossenen niederländischen Sterbehilfe –Gesetzes gibt es immer noch Ärzte, die sich aus religiösen oder ethischen Gründen – oder weil sie schlichtweg Angst haben – weigern, den Sterbewunsch ihres Patienten zu erfüllen. Zur Sterbehilfe gezwungen werden, können sie nicht. Um hier Abhilfe zu schaffen, stehen auf Initiative der NVVE seit Donnerstag dieser Woche sechs ambulante Sterbehilfe-Teams bereit. Parallel dazu wird in Den Haag eine Lebensendeklinik eröffnet, die Sterbewillige aufnimmt, die nicht zu Hause sterben wollen.

Voraussetzung für den Einsatz der Sterbehilfe-Teams ist eine unheilbare Krankheit, unerträgliche Schmerzen und ein mehrfach und eindeutig geäußerter Sterbewunsch. Jeder Fall wird dabei einer Überprüfungskommission vorgelegt, die aus einem Arzt, einem Juristen und einem Ethiker besteht.

Kommt der Hausarzt dennoch dem Patientenwunsch nicht nach, suchen die aus einem Arzt und einem Pfleger bestehenden Teams zunächst den Hausarzt auf und befragen ihn nach seinen Gründen für die Verweigerung der Sterbehilfe. Bleibt er nach Aufklärung über die Straffreiheit bei seiner Weigerung, muss ein zweiter Arzt konsultiert werden. Befürwortet auch dieser die Sterbehilfe wird der Patient aufgesucht und zunächst mit einer Spritze in tiefen Schlaf versetzt. Eine zweite Spritze stoppt die Atmung und den Herzschlag des schwerkranken Menschen.

In der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 29.2.2012 heißt es hierzu: „In den Niederlanden werden jährlich etwa 2300 Menschen auf Verlangen getötet, eine Zahl, die sich durch das Gesetz von 2002 kaum geändert hat. Gegner der liberalen Sterbehilfe-Praxis behaupten indes, die wahre Zahl sei höher, weil viele Fälle nicht gemeldet würden. Die niederländische Ärztevereinigung, die die Sterbehilfe im Grundsatz befürwortet, sieht die NVVE-Ideen kritisch. Der Name Lebensendeklinik wecke falsche Erwartungen, weil er auch Lebensmüde anspreche, die nicht wirklich krank seien. Auch mischten sich die Euthanasie-Helfer in die wichtige Beziehung zwischen Hausarzt und Patient ein.

In Deutschland, wo die Tötung auf Verlangen strafbar ist, äußern sich Sterbehilfe-Gegner erwartungsgemäß entrüstet über die niederländischen Nachbarn. Von einem „menschenverachtenden Angebot“ spricht die Deutsche Hospiz Stiftung, von einem „fehlgeleiteten Verständnis von Autonomie“ die Aktion Lebensrecht für Alle.“


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