Wenn einmal der Wurm drin steckt…



Veröffentlicht am 27. Juli 2013 von

Seit nunmehr vier Verhandlungstagen versuchen wir ernsthaft, in einem Berufungsverfahren vor dem Landgericht Mönchengladbach mit der Beweisaufnahme zu beginnen. Beim ersten Mal platzte der Prozess unter anderem deshalb, weil die Akten nicht vollständig waren. Außerdem war der psychiatrische Sachverständige nicht erschienen. Im zweiten Anlauf gab es Verzögerungen, weil einer meiner Mitverteidiger erfahren hatte, dass der Sachverständige Strafanzeige gegen ihn wegen eines angeblichen Urheberrechtsverstoßes durch Weitergabe seines Gutachtens erstattet hatte. Da musste dann erst einmal der Text der Strafanzeige besorgt werden, dann gab es eine Unterbrechung, die in einen Befangenheitsantrag einmündete. Am dritten Verhandlungstag wurde erneut über den Befangenheitsantrag verhandelt, der schließlich zur nicht geringen Überraschung der Verteidigung abgelehnt wurde. Dann hörten wir die Therapeutin der Hauptbelastungszeugin ausführlich zu der Frage, inwieweit deren Patientin mit schweren gesundheitlichen Folgen zu rechnen habe, wenn sie in Anwesenheit der Angeklagten aussagen müsste. Die dem Verfahren als Nebenklägerin beigetretene Zeugin hatte nämlich über ihren Prozessbevollmächtigen beantragt, den Angeklagten gem. § 247 StPO während ihrer Vernehmung aus dem Sitzungssaal zu entfernen. Nicht unerwartet hat die Therapeutin die schwere gesundheitliche Gefahr für die Zeugin, eine erfahrene Kriminalhauptkommissarin, bejaht.

Gestern sollte dann endlich mit der Vernehmung der Hauptbelastungszeugin begonnen werden. Mit dem Gericht war abgesprochen, dass der Angeklagte im Falle seiner Entfernung aus der Sitzung die Vernehmung  per Videoübertragung verfolgen könnte. Da gab es dann aber technische Probleme, weil die neue Videoübertragungsanlage noch nicht fertig installiert war und die alte ausgerechnet am Tag zuvor abgeschaltet worden war. Die neue Anlage soll erst am 3. August funktionsbereit sein. Also haben wir uns nach einigem Geplänkel auf den nächsten Verhandlungstag vertagt. Der findet am 6. August statt.

Ein Problem bei der ganzen Sache ist, dass sich der Mandant seit nunmehr fast 17 Monaten in Haft befindet. Erstinstanzlich war er in einem hochstreitigen Verfahren ohne meine Mitwirkung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 5 Monaten verurteilt worden. Das Verfahren hat aus meiner Sicht viele Schwächen gehabt, das nach sage und schreibe 20 Verhandlungstagen ergangene erstinstanzliche Urteil hat wesentliche für den Angeklagten sprechende Aspekte schlichtweg ignoriert. Das habe ich im Berufungsverfahren schon mehrfach thematisiert. Der Vorsitzende Richter hat wiederholt bekundet, dass die Kammer sich nach Vernehmung der Hauptbelastungszeugin intensiv mit der Haftfrage befassen werde. Derzeit sehe man noch keine Veranlassung, den Haftbefehl von Amts wegen aufzuheben oder außer Vollzug zu setzen.

Ich habe die Stellung eines Haftantrages in Absprache mit dem Mandanten zurückgestellt, weil ich mir erhoffe, nach Vernehmung der Zeugin eine Reihe zusätzlicher schwerwiegender Argumente zu haben. Aber jetzt verzögert sich die Sache immer mehr, seit dem ersten Verhandlungstag sind schon fast 7 Wochen vergangen. Mein Mandant hat in der gestrigen Sitzung seinen Unmut über die Situation verkündet. Es möge ja sein, dass die Kammer nicht für die technischen Mängel verantwortlich sei. Andererseits wisse das Gericht aber, dass die Videovernehmung geplant sei und müsse dann auch dafür sorgen, dass das klappe, oder ihn aus der Haft entlassen, da er nicht die Zeche für die unnötigen Verzögerungen zahlen wolle. Recht hat der Mann, finde ich.

Wir prüfen jetzt, ob wir nicht aus prinzipiellen Gründen doch noch vor dem nächsten Verhandlungstag einen Haftprüfungsantrag stellen. Zumindest werde ich für den Fall, dass es dann wieder zu Verzögerungen kommt, einen solchen in der Tasche haben. Denkbar ist nämlich, dass der Sachverständige vielleicht doch noch für befangen erklärt wird. Mein Mitverteidiger, gegen den der Sachverständige Strafanzeige erstattet hatte,  hat gegen den ablehnenden Beschluss der Kammer Gegenvorstellung erhoben und gleich auch noch einen weiteren Antrag nachgeschoben. Sollte dem stattgegeben werden, müsste das Verfahren gegebenenfalls ausgesetzt und zunächst ein neuer Sachverständiger bestellt werden. Da kann also noch viel passieren.

 

 

 


Kategorie: Strafblog
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