Es gibt immer wieder Verfahren, die sind zum Mäusemelken. Da werden gesetzliche Vorgaben von den Strafverfolgungsbehörden schlichtweg ignoriert und Vieles wird mit unglaublicher Nonchalance auf die lange Bank geschoben. Gestern habe ich wieder eine solche Akte endlich!!! auf den Tisch bekommen, aber die Hälfte der entscheidungserheblichen Erkenntnisse fehlt immer noch.
Was ist geschehen? Nun, schon Anfang Oktober wurde die Wohnung des Vaters eines zur angeblichen Tatzeit 17-jährigen jungen Mannes aufgrund eines richterlichen Beschlusses durchsucht. Der Knabe soll längere Zeit mit einem 12-jährigen Hamburger Mädchen gechattet und geskyped haben, wobei auch Bilder und Videos mit teilweise recht drastischen sexuellen Inhalten getauscht wurden. Drastisch vor allem auf Seiten des Mädchens, das sich vor der Kamera alle möglichen Dinge in diverse Körperöffnungen eingeführt haben soll. Persönlich getroffen haben sich die beiden nie.
Die Polizei hat bei der Durchsuchung gleich auch die gesamte EDV des Vaters mitgenommen, und zwar gegen dessen ausdrücklichen Widerspruch. Das Gesetz schreibt für diesen Fall vor, dass innerhalb von 3 Tagen eine richterliche Entscheidung über eine Beschlagnahme herbeizuführen ist. Ich habe für den Vater bei der Staatsanwaltschaft schriftlich noch einmal widersprochen und beantragt, die EDV ungeprüft herauszugeben oder den Richter entscheiden zu lassen. Das war´s dann erst einmal. Was nicht kam, war eine Herausgabe oder richterliche Entscheidung, dafür aber die Mitteilung, dass sich Akten noch bei der Polizei befinden. Als ob hierdurch gesetzliche Fristen suspendiert werden könnten! Ich habe mehrfach remonstriert und auch versucht, die mir als Dezernentin benannte Staatsanwältin zu erreichen. Das hat immerhin 2 Wochen gedauert, weil sie einfach nicht anzutreffen war. Als sie dann schließlich sprechen konnte und mich empören wollte, teilte sie mir mit, gar nicht die zuständige Dezernentin zu sein. Da hätte ich wohl eine falsche Auskunft bekommen.
Die zuständige Dezernentin hat die Akte dann mehrfach bei der Polizei angefordert, aber zunächst nicht bekommen. Das war erst gestern, also nach mehr als 2 Monaten, der Fall, und dann hat sie diese auch gleich dem Amtsrichter zur Entscheidung zugeleitet. Der hat mir dann – wohl in Absprache mit der Staatsanwältin, unterstelle ich – Akteneinsicht gewährt und eine kurze Frist zur Stellungnahme gesetzt, weil die Staatsanwältin meint, die EDV solle als mögliches Beweismittel beschlagnahmt bleiben. Immerhin hat die Dezernentin in einem Vermerk zum Ausdruck gebracht, dass sie sich auch darüber wundert, dass die Polizei den Widerspruch des Vaters gegen die Beschlagnahme ignoriert hat.
Problem bei der Stellungnahme ist, dass leider wesentliche Aktenteile fehlen. Die Polizei hat zwar inzwischen eine sehr umfangreiche Vernehmung des Mädchens durchgeführt und auch dessen Mutter angehört, aber der umfangreiche Chatverlauf nebst Fotos und Videos wurde noch nicht ausgewertet (was tun die eigentlich so innerhalb von 2 Monaten?) und befindet sich auch nicht bei der Akte, sondern in separaten Beweismittelordnern, die mir nicht zugänglich gemacht wurden. Dabei kommt es doch ganz wesentlich darauf an, welche Vorstellung vom Alter des Mädchens der Junge, den ich ebenfalls vertrete, hatte. Da könnte der Chatverlauf doch deutliche Hinweise enthalten. Auf dem einzigen in der Akte befindlichen Foto sieht das Mädchen jedenfalls deutlich älter als 12 Jahre aus und sein Verhalten war ja auch nicht so besonders kindgerecht.
Die Polizei hat inzwischen die erkennungsdienstliche Behandlung des Jungen angeordnet. Dazu war dann doch Zeit. Hiergegen habe ich nach erfolglosem Widerspruch Klage beim Verwaltungsgericht erhoben. Ohne Akteneinsicht lässt sich eine solche Klage, die ja fristgebunden ist, nur unvollkommen begründen. Das dürfte auch polizeibekannt sein. Jetzt muss ich da noch ein wenig nachlegen, wobei ich zuvor in die Beweismittelordner schauen muss. Die bekomme ich hoffentlich heute.
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