Haftbefehl – warum?



Veröffentlicht am 3. April 2012 von

Sie haben gerade erfahren, dass ein Haftbefehl gegen Sie in der Welt ist? Der kann verschiedene Ursachen haben. Grundsätzlich unterscheidet man 5 Sorten von Haftbefehlen:

1. Untersuchungshaftbefehl

Die Vorschriften für den Erlass eines Untersuchungshaftbefehls ergeben sich aus den §§ 112 ff. StPO. Zunächst einmal muss ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft gegen Sie anhängig sein. Sie sind der Tat dringend verdächtig und es muss ein Haftgrund gegen Sie vorliegen. Haftgründe sind:

a) Flucht

Sie sind bereits flüchtig und haben Ihre Wohnung vor, während oder nach der Tat aufgegeben, ohne eine neue zu beziehen und/oder sich ins Ausland abgesetzt. Hierdurch haben Sie sich dem Zugriff der Ermittlungsbehörden entzogen.

b) Fluchtgefahr

Am häufigsten stützt sich der erlassene Haftbefehl auf die Fluchtgefahr. Diese besteht, wenn unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu erwarten ist, dass der Beschuldigte sich dem Strafverfahren – z.B. aufgrund der zu erwartenden, hohen Strafe – entziehen will. Für Fluchtgefahr sprechen u.a. ein auffälliger Wohnungs- oder Arbeitsplatzwechsel, die Verwendung falscher Namen, das Fehlen familiärer und beruflicher Bindungen, Auslandsverbindungen. Auf diese Umstände wird jedoch umso weniger Gewicht gelegt, je höher die Straferwartung in dem anhängigen Verfahren ist. Dies führt dann dazu, dass die Staatsanwaltschaft in solch gelagerten Fällen nur noch prüft, welche Gründe einer Fluchtgefahr entgegenstehen.

c) Verdunklungsgefahr

Hier soll vermieden werden, dass der Beschuldigte Beweismittel verändert oder vernichtet, Zeugen beeinflusst oder anderweitig darauf hinwirkt, die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren. Die bloße Vermutung einer Verdunklungsgefahr durch die Staatsanwaltschaft reicht nicht aus. Bei vollständiger Aufklärung des Sachverhaltes besteht keine Verdunklungsgefahr mehr.

d) Wiederholungsgefahr

Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr ist eine vorbeugende Maßnahme der Sicherungshaft, zum Schutz vor weiteren erheblichen Straftaten besonders gefährlicher Täter.

Angeordnet wird die Untersuchungshaft auf vorhergehenden Antrag der Staatsanwaltschaft durch den Richter. Ihr geht in der Regel die Festnahme durch Polizei oder Staatsanwaltschaft voraus. Ein erlassener Haftbefehl darf nicht unverhältnismäßig sein, d.h. er muss im Verhältnis zu der erwartenden Strafe stehen.

Ein bereits erlassener Haftbefehl ist dem Beschuldigten bei der Verhaftung bekannt zu geben. Danach ist er unverzüglich dem Richter vorzuführen, der darüber entscheidet, ob die Voraussetzungen für den Erlass des Haftbefehls weiterhin vorliegen. Wird der Beschuldigte ergriffen, noch bevor ein Haftbefehl erlassen ist, muss er dem zuständigen Richter vorgeführt werden, der die Voraussetzungen für den Erlass sodann prüft. Kommt er zu dem Ergebnis, dass der Verdacht dringend ist und mindestens einer der oben aufgeführten Haftgründe vorliegt, erlässt er Haftbefehl und verkündet ihn anschließend dem Beschuldigten. Der Beschuldigte wird anschließend in die Justizvollzugsanstalt überführt. Die Untersuchungshaft darf grundsätzlich nicht länger als 6 Monate andauern und diese Frist kann nur in Ausnahmefällen durch das Oberlandesgericht verlängert werden.

Besteht die Möglichkeit, durch weniger einschneidende Maßnahmen den Zweck der Untersuchungshaft zu erfüllen, z.B. regelmäßige Meldepflicht bei der Polizei, Zahlung einer Kaution, kann die Untersuchungshaft nach § 116 StPO entbehrlich sein bzw. gegen entsprechende Auflagen außer Vollzug gesetzt werden.

Der Beschuldigte hat jederzeit die Möglichkeit, die Haftfortdauer im Rahmen eines Haftprüfungstermins überprüfen zu lassen. Ein Strafverteidiger wird immer gut vorbereitet in eine solche Haftprüfung gehen. Sein Ziel kann sein, neue Umstände vorzutragen, die gegen die angenommenen Haftgründe sprechen, oder einen persönlichen Eindruck vom Beschuldigten zu vermitteln. Häufig ist hier die Geduld des Mandanten gefragt, denn hier liegt nicht in der Kürze die Würze, sondern es ist vielmehr die hieb- und stichfeste Vorbereitung ausschlaggebend. Ein guter Strafverteidiger versteht es durch Abwarten von Akteneinsicht und Vorabtelefonate mit Richter und Staatsanwaltschaft die Chancen für eine erfolgreiche Haftprüfung auszuloten.

2. Unterbringungsbefehl

Die Vorschriften für den Unterbringungsbefehl ergeben sich aus § 126 a StPO. Es müssen dringende Gründe für die Annahme vorliegen, dass eine Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit – oder verminderten Schuldfähigkeit – begangen wurde und dass das Verfahren zu dem Ergebnis führen wird, dass die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Erziehungsanstalt anzuordnen ist. Darüber hinaus muss die öffentliche Sicherheit die einstweilige Unterbringung erfordern, weil davon auszugehen ist, dass der Beschuldigte weitere Taten von solcher Schwere begehen wird. Die Unterbringung in einer JVA ist nur in Ausnahmefällen und für max. 24 Stunden zulässig, wenn die sofortige Überführung in ein psychiatrisches Krankenhaus nicht möglich ist. Im Übrigen gelten die selben Vorschriften wie für den Untersuchungshaftbefehl mit der Ausnahme, dass es keine Beschränkung der Unterbringung von sechs Monaten gibt.

3. Haftbefehl in der Hauptverhandlung

Der Richter kann gegen den Angeklagten, der der Hauptverhandlung unentschuldigt fernbleibt, einen Haftbefehl gem. § 230 StPO zum Zwecke der Sicherung, Weiterführung und Beendigung des Strafverfahrens – auch gegen schuldunfähige Angeklagte – erlassen.

4. Sicherungshaftbefehl

Ist der Angeklagte zu einer Bewährungsstrafe bereits verurteilt worden und ist davon auszugehen, dass diese Bewährung widerrufen wird, kann das Gericht unter Umständen (z.B. flüchtiger Angeklagter) einen Sicherungshaftbefehl gem. § 453 c StPO erlassen.

5. Vollstreckungshaftbefehl

Nach § 457 StPO ergeht ein Vollstreckungshaftbefehl dann, wenn der Verurteilte der Ladung zum Strafantritt (s.auch Gefängnisstrafe – werde ich in Handschellen abgeführt?) nicht Folge leistet, flüchtig oder ohne festen Wohnsitz ist. Der Vollstreckungshaftbefehl ist der einzige Haftbefehl der unmittelbar von der Staatsanwaltschaft als zuständige Vollstreckungsbehörde angeordnet werden kann. Er ist ebenfalls zulässig, wenn der Verurteilte die ihm auferlegte Geldbuße oder Arbeitsauflage nicht geleistet hat und erfolglos zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe geladen wurde.

Rechtsanwalt Gerd Meister, Mönchengladbach


Kategorie: Tipps und Tricks
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