1. Grundsätze
Grundsätzlich ist die Terminierung der Hauptverhandlung Sache des Vorsitzenden, da ihm die sog. “Terminshoheit” obliegt (§ 213 StPO). Die Anberaumung der Hauptverhandlung ist nämlich eine prozessleitende Verfügung, die ohne vorherige Anhörung der Verfahrensbeteiligten ergehen kann, und zwar sowohl die Schöffen als auch die Verteidigung betreffend. Insoweit nicht verwunderlich, dass gem. § 228 Abs. 2 StPO die Verhinderung des Wahlverteidigers auch heute noch kein Grund zur Aussetzung der Hauptverhandlung ist.
Obwohl der Gesetzestext eindeutig zu sein scheint, ist die Terminshoheit durch obergerichtliche Rechtssprechung zu Gunsten der Verteidigung in der Praxis dahingehend eingeschränkt worden, dass die Terminsbestimmung im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden liegt und daher dahingehend überprüfbar wird, ob der Vorsitzende die rechtlichen Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens eingehalten hat bzw. das ihm eingeräumte Ermessen überhaupt oder fehlerhaft ausgeübt hat.
Im Rahmen seiner richterlichen Ermessensentscheidung hat der Vorsitzende die eigene Terminsplanung, die Gesamtbelastung des Spruchkörpers, das Gebot der Verfahrensbeschleunigung sowie die berechtigten individuellen Belange der Prozessbeteiligten in einer Gesamtschau zu berücksichtigen und abzuwägen. Insbesondere dann, wenn berechtigte Verteidigungsinteressen des Angeklagten berührt sind, wird das Ermessen des Vorsitzenden reduziert. Da der Angeklagte ein grds. Recht hat, von einem Verteidger seines Vertrauens verteidigt zu werden, muss sich das Gericht ernsthaft bemühen Terminskollisionen des Verteidigers zu überwinden. Dabei reicht es nicht aus, mit der Begründung der “angespannten Terminslage des Gerichts” an einem vorgesehenen Terminstag festzuhalten. In der Regel wird den Verteidigungsinteressen Vorrang einzuräumen sein.
Daher gilt: Wenn vor der Terminierung -trotz Hinweis des Verteidigers HV-Termine vor der Terminierung mit ihm abzusprechen- nicht versucht worden ist, in Absprache mit dem Verteidiger einen Hauptverhandlungstermin zu finden, ist im Falle einer Kollision das Ermessen des Vorsitzenden auf Null reduziert. Folge hieraus ist dann wiederum ein Anspruch auf Terminsverlegung!
Als Gründe für eine Verhinderung, neben der klassischen Terminskollision des Verteidigers- sind insoweit anerkannt worden:
-Urlaub der Verteidigers,
-Fortbildungsveranstaltungen des Verteidgers,
-Verhinderung des Angeklagten aufgrund einer erst kurz vor der Hauptverhandlung erfolgten Aufnahme in einer stationären Drogentherapie und eine Unterbrechung der Behandlung medizinisch kontraindiziert wäre,
-schwere Erkrankung des Angeklagten,
-auch familiäre, berufliche oder geschäftliche Belange des Angeklagten können, wenn sie substantiiert vorgetragen werden, eine Terminsverlegung rechtfertigen.
Achtung: das Vorstehende gilt allerdings nur für Nicht-Haftsachen! In Haftsachen neigen Gerichte aktuell verstärkt dazu, dem Beschleunigungsprinzip den Vorrang vor dem Interesse des Angeklagten zu gewähren, den Anwalt seines Vertrauens zu erhalten. Hierbei wird in der Rechtssprechung zwischen Wahl- und Pflichtverteidgung nicht unterschieden. Bevor die Untersuchungshaft durch die Verhinderung eines Verteidgers in die Länge gezogen wird, insbesondere in Verfahren mit mehreren Angeklagten, sei notfalls ein weiterer Verteidiger beizuordnen. Diskutiert wird neben dieser Möglichkeit auch die der Abtrennung des Betroffenen. Einigkeit besteht bis dato nicht. Allerdings dürfte klar sein, dass durch die dargestellte Vorgehensweise den Vorsitzenden in Haftsachen unter dem “Deckmantel” das Beschleunigungsgebot einhalten zu wollen faktisch die Möglichkeit gegeben wird, bestimmte, besonders eingespannte Verteidiger, die möglicherweise dem ein oder anderen Vorsitzenden aufgrund ihres Engagements unliebsamer sind, schlichtweg aus dem Verfahren zu “kicken” und einen liebsameren “Kopfnicker” neben dem Angeklagten zu plazieren!
2. Reaktionsmöglichkeiten
a. Terminsverlegungsantrag
Unmittelbar nach Ladungseingang muss der Terminsverlegungsantrag gestellt werden und zwar unter Darlegung der Verhinderungsgründe im Einzelfall. Die Entscheidung über die Verlegung steht ebenso wie die erste Terminsverfügung selbst im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden. Allerdings ist die Ablehnung über einen Antrag auf Verlegung gem. § 34 StPO zu begründen. Aus selbiger muss sich ergeben, dass die o.a. Grenzen des Ermessens beachtet worden sind.
b. Wird der Verlegungsantrag abgelehnt, geht die herrschende Meinung davon aus, dass entgegen des Wortlauts des § 305 S. 1 StPO eine Beschwerde zulässig ist. Insbesondere dann, wenn ein Ermessensfehl- bzw. Ermessensnichtgebrauch gegeben ist (s.o.). Begründet ist die Beschwerde folglich, wenn aus der Ablehnungentscheidung nicht deutlich wird, dass der Vorsitzende das ihm eingeräumte Ermessen korrekt ausgeübt hat. Hierzu gilt insbesondere: Aufgrund der “angespannten Terminslage des Gerichts kommt eine Verlegung nicht in Betrracht” genügt den Anforderungen in keinem Fall und ist daher jedenfalls in Nichthaftsachen mit der Beschwerde angreifbar!
c. Darüberhinaus ist in der Rechtssprechung anerkannt, dass die grundlose oder willkürliche Ablehnung eines Terminverlegungsantrages die Besorgnis der Befangenheit begründen kann. Dies ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen.
Rechtsanwalt Oliver Wintz
Kategorie: Tipps und Tricks
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